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Wünschewagen MV

Gesichter des Projekts Wünschewagen: Matthias Hildebrandt

(09. September 2019, Rostock) 70 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sorgen dafür, dass das ASB-Projekt „Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen“ in Mecklenburg-Vorpommern sein wichtigstes Ziel erreichen kann: schwerstkranken Menschen ihren letzten Wunsch zu erfüllen. In der Rubrik „Gesichter des Projekts“ möchten wir unsere Wunscherfüller*innen vorstellen. Matthias Hildebrandt ist der fünfte im Bunde, der im Rahmen der Interview-Reihe zu Wort kommt. Aus gutem Grund genau jetzt: Denn Matthias erfüllt nicht nur ehrenamtlich letzte Wünsche, er übernimmt seit September auch Verantwortung für den Wünschewagen im Hauptamt.

„Ich freue mich auf jede einzelne Aufgabe!“

70 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sorgen dafür, dass das ASB-Projekt „Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen“ in Mecklenburg-Vorpommern sein wichtigstes Ziel erreichen kann: schwerstkranken Menschen ihren letzten Wunsch zu erfüllen. In der Rubrik „Gesichter des Projekts“ möchten wir unsere Wunscherfüller*innen vorstellen. Matthias Hildebrandt ist der fünfte im Bunde, der im Rahmen der Interview-Reihe zu Wort kommt. Aus gutem Grund genau jetzt: Denn Matthias erfüllt nicht nur ehrenamtlich letzte Wünsche, er übernimmt seit September auch Verantwortung für den Wünschewagen im Hauptamt.

Hallo Matthias, für dich hat vor wenigen Tagen ein neues Kapitel beim ASB-Wünschewagen in Mecklenburg-Vorpommern begonnen. Du greifst unserer Projektleiterin Bettina Hartwig als offizieller Projektmitarbeiter unter die Arme. Welche Aufgaben und Herausforderungen kommen auf dich zu?

Jede Menge – und ich freue mich auf jede einzelne. Ich unterstütze Bettina beispielsweise bei der „Wunsch-ORGA“, also der Organisation der Wünschefahrten. Das fängt mit dem Beantworten bei uns eingehender Wunschanfragen an und bezieht im Folgenden viele verschiedene Absprachen mit ein, die für eine Wunscherfüllung unabdingbar sind. In Vorbereitung einer Fahrt stehen wir unter anderem mit den Wünschenden, deren Familienangehörigen und Freunden, den Pflegekräften in den jeweiligen Einrichtungen und natürlich auch mit Ansprechpersonen aus dem Eventmanagement und dem Gastgewerbe in Kontakt. Außerdem übernehme ich die Verantwortung für unseren kleinen Fuhrpark – speziell für unseren einzigartigen Wünschewagen – und versuche im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und des Fundraisings unser tolles Projekt bekannter zu machen und möglichst viele Menschen zum Spenden zu bewegen. Denn nur so können wir weiterhin letzte Herzenswünsche erfüllen.

Das klingt nach sehr viel Arbeit, aber wenn man dich über den Wünschewagen sprechen hört, klingt es nicht nach Arbeit im herkömmlichen Sinne.

Es wird intensiv, dessen bin ich mir bewusst. Aber für den Wünschewagen tätig sein zu dürfen, ist für mich mehr als eine Arbeit, der man nachgehen muss, um Geld zu verdienen. Für mich ist das eine Herzensgeschichte. Das habe ich vor kurzem erst wieder ganz stark gespürt. Als Susi (Susanne Jerke ist ebenfalls ehrenamtliche Wunscherfüllerin beim ASB und Matthias Lebensgefährtin; Anm. d. Red.) und ich zwischenzeitig zwei Monate lang an keiner Wünschefahrt teilnehmen konnten, haben wir uns regelrecht „unterwünscht“ gefühlt. Dann kam die nächste Fahrt und wir waren wieder in unserem Element.

Da du Susi ansprichst: Ihr engagiert euch beide aktiv für den Wünschewagen. Wer hat wen für das Projekt begeistert?

An dieser Stelle muss ich etwas weiter ausholen, denn unsere Wege zum Wünschewagen sind von ganz vielen schönen und glücklichen Zufällen geprägt. Mir ist der Wünschewagen – allerdings der Hamburger – zum allerersten Mal vor zwei Jahren in Parchim aufgefallen, als dieser gerade auf dem Weg zum Elefantenhof Platschow war (auch der Wünschewagen MV konnte hier bereits einen letzten Wunsch erfüllen). Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es dieses Projekt auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt und schon gar nicht, dass man sich ehrenamtlich beteiligen kann. Susi war da bereits einen Schritt weiter. Sie ist in Güstrow bei ihrer Arbeit als Pflegehelferin in einer betreuten Wohngruppe auf den Wünschewagen aufmerksam geworden. Einer Bewohnerin dieser Wohngruppe wurde ein letzter Herzenswunsch durch den ASB erfüllt. Das Projekt hat Susi so berührt, dass sie unbedingt mitmachen wollte. Nur: Sie hat nicht herausbekommen, bei wem sie sich melden kann. So vergingen eineinhalb Jahre, bis wir uns schließlich kennengelernt haben. Das war im Dezember 2018. Und wie der Zufall es so will, wurde sie nur zwei, drei Tage später über abenteuerliche Umwege auf Bettina Hartwig als Ansprechpartnerin für den Wünschewagen MV verwiesen und hat sich direkt als Freiwillige gemeldet. Als klar war, dass auch ich helfen könnte – nämlich als Fahrer -, haben wir dann auch meine Anmeldung zusammen abgeschickt. Und jetzt kommt’s: Als das Wünschewagen-Team damals in Güstrow war, wurde ein Projektflyer für Susi dagelassen. Die Infos lagen also die gesamte Zeit über auf ihrem Schreibtisch und kamen tatsächlich erst nach unserer Kontaktaufnahme mit Bettina zum Vorschein. Als ob es genau so laufen sollte. Ich bin Susi unglaublich dankbar. Ohne sie wäre ich nicht beim Wünschewagen gelandet.

Wie ist es danach für euch weitergegangen?

Anfang März 2019 haben wir zusammen an der Schulung für ehrenamtliche Wunscherfüller*innen teilgenommen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Bettina am Fenster stand und uns freudestrahlend zugewunken hat. Und nur drei Wochen später saß ich zum ersten Mal am Steuer des Wünschewagens, um einen älteren Herren von Rügen nach Bayern zu begleiten.

Seither sind für dich viele weitere Fahrten hinzugekommen. Ist es schwer, immer positiv und gut gelaunt zu bleiben – gerade wenn man weiß, dass der oder dem Wünschenden der letzte Wunsch erfüllt wird?

Ehrlich gesagt, nein. Die Reaktionen der Wünschenden sind eigentlich immer total positiv, weil sie durch die Wunscherfüllung noch einmal ganz viel Energie bekommen. Auch die Angehörigen sind glücklich. Jeder möchte dazu beitragen, dass ein letzter Traum wahr wird. Während der Fahrten findet man ganz schnell einen Draht zueinander und hört die bewegendsten Lebensgeschichten. Dadurch kommt man auf so viele unterschiedliche Themen zu sprechen. Ich finde das sehr schön. Aber natürlich sind Schicksale dabei, die einen außerhalb der Wünschefahrt noch länger beschäftigen und emotional sehr mitnehmen.

Wir verarbeitest du die Dinge, die du als ehrenamtlicher Wunscherfüller erlebst?

Zum Glück bin ich damit nicht auf mich allein gestellt, sondern kann mit meiner Partnerin jederzeit darüber sprechen. Nach meinen ersten beiden Wünschefahrten hat es sich so ergeben, dass Susi und ich bis heute sechs weitere letzte Wünsche zusammen erfüllen durften. Wir konnten diese besonderen Momente also zu zweit erleben und zu zweit verarbeiten. Deshalb sprechen wir beim Wünschewagen auch schon von unserem „gemeinsamen Baby“.

Erzählst du uns etwas von eurer ersten gemeinsamen Wunscherfüllung?

Gerne, denn die Fahrt war toll – und sie passt in dieses verrückte Bild voller sehr schöner Zufälle, die es nur beim Wünschewagen gibt. Beim ersten Aufeinandertreffen mit Susi habe ich in der Wohngruppe auch eine herzliche Dame kennengelernt, die dort betreut wurde. Im Frühjahr – also zu der Zeit, in der wir an der Ehrenamtsschulung teilgenommen haben – kam die Frau ins Krankenhaus. Indem wir sie in ihre Heimat nach Bremen zu einem großen Treffen mit ihren Liebsten gebracht haben, konnten wir ihr noch einen letzten Wunsch erfüllen. Sie hat so viel gesungen und hat trotz ihrer schweren Erkrankung kein einziges Mal Pause gemacht und geschlafen – sie war einfach so glücklich. Und wir waren es auch.

Auf den Spuren der Vergangenheit zu wandeln scheint noch einmal zusätzliche Kräfte freizusetzen.

Das stelle ich bei jeder Fahrt fest und in Gesprächen mit unseren weiteren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern höre ich das auch ganz oft heraus. Die Vorfreude darauf, langersehnte Plätze wiederzusehen und geliebte Menschen in die Arme zu schließen, setzt so viel Energie frei. Im August waren wir mit einem älteren Herrn in Lauenburg, der eigentlich auf den Rollstuhl angewiesen ist und in nur wenigen Momenten genug Kraft für den Rollator hat. Im Elbschifffahrtmuseum wandelten wir auf den Spuren seiner familiären Vergangenheit, denn sein Großvater war der Gründer der Einrichtung. Vor Ort angekommen, brauchten wir weder den Rollstuhl noch den Rollator. Er war stark genug, um nur mit seinem Gehstock alles abzulaufen. Das war bewundernswert. Auf der Rückfahrt ins Hospiz nach Bernstorf lag der Camping-Platz, auf dem der Herr seine Frau kennengelernt hat, auf unserem Weg. So ergeben sich aus verschiedenen Puzzlestücken ganze Lebensgeschichten.

Bleibst du nach Wünschefahrten mit den Wünschenden und deren Angehören in Kontakt?

Ja, denn ich finde es schön zu erfahren, wie die Geschichte der Menschen weitergeht. Außerdem sind sie so dankbar, dass auch viele von ihnen den Kontakt suchen. Den Herren, den wir beispielsweise nach Lauenburg begleiten durften, haben Susi und ich erst vor kurzem auf unserem Weg zu einer Familienfeier nach Schleswig-Holstein besucht. Auch zur Mama von Cedric, bei dessen Wunscherfüllung auch die Schweriner Volkszeitung dabei war, habe ich den Kontakt gehalten.

Wurdest du schon mal im Rahmen einer Wünschefahrt auf unser soziales Projekt angesprochen?

Bei der Fahrt mit Cedric wurden wir gefragt, worum es beim Wünschewagen-Projekt geht. Der Mann hatte letztlich nur zwei Euro in seinem Portemonnaie, aber die wollte er uns sofort geben. Allein die Geste war schon toll. Auch zwei Feuerwehrleute kamen zu uns, nachdem sie uns von einem Schiff aus gesehen hatten. Die beiden haben uns an dem Tag so sehr geholfen, das werden wir nicht vergessen. Deshalb melden wir uns auch bei ihnen, wenn wir das nächste Mal in Hamburg sind. Leider habe ich aber auch bereits negative Rückmeldungen erhalten, die ich einfach nicht nachvollziehen kann. Warum echauffieren sich Menschen darüber, wenn der Wünschewagen abseits einer Parkfläche steht, obwohl niemand dadurch behindert wird? Wir erfüllen einen letzten Wunsch und es wird wegen eines Parkplatzes gemeckert. Da fehlt mir jegliches Verständnis.

Verständnis ist ein gutes Stichwort und bringt uns auf ein positives Thema zurück: Deine Familie steht beim Wünschewagen hinter dir. Und nicht nur das: Dein Engagement für den Arbeiter-Samariter-Bund ist sogar ansteckend, wie wir gehört haben.

Das stimmt. Mein Sohn Finn (11) möchte seit ich beim ASB bin Notfallsanitäter werden. Er hat einen großen Gerechtigkeitssinn und schon seit dem Kindergarten ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn.

Damit wäre auch in der Zukunft für einen weiteren Wunscherfüller gesorgt. Wir freuen uns darauf – und auf dich in deiner neuen Doppelfunktion. Herzlich willkommen (und weiter so!) beim Wünschewagen MV!

Danke!